An unserem 2. Mindful Mountain-Tag im Pitztal erwartet uns eine ganz einzigartige Tour: Wir wandern im Sommer über den Pitztaler Gletscher. Den höchsten der fünf Tiroler Gletscher! Während wir am ersten Tag bei der Tour zum Rifflsee und auf den Brandkogel uns in Achtsamkeit und im Überwinden erster Herausforderungen geübt sowie die Sonne und den Ausblick ins Grüne und die Pitztaler Bergwelt genossen haben, wagen wir uns an diesem Tag in eine Welt voller Schnee und Eis. In unserem Video zur Gletscherwanderung geben wir euch noch mehr Eindrücke zu dieser beeindruckenden Tour.
Am Sonntagmorgen nehmen wir um 08:30 Uhr die erste Bahn des Gletscherexpress in Mittelberg. Sie bringt uns über einen unterirdischen Tunnel in knapp zehn Minuten von 1.740 m bis zur Bergstation auf 2.841 m.
Von hier führt auch ein mittelschwerer ca. 3 km langer Wanderweg auf den Mittagskogel auf beachtlichen 3.149 m. (siehe bald hier Christians Tour auf den Mittagskogel in einem neuen Artikel). Vom Gipfel dieses Berges hast du einen fantastischen Blick direkt mittig auf das gesamte Pitztal.
Ich wandere aber heute nicht auf den Mittagskogel, sondern steige nach dem Gletscherexpress in die Wildspitzbahn ein, die mich auf beeindruckende 3.440m bringt. Wir blicken aus der Gondel nach unten in die Tiefe. Im Sommer sieht es hier ohne Schnee ein wenig aus wie eine fantastische Mondlandschaft.
Auf 3.440 m angekommen pfeift mir der Wind ganz schön um die Ohren. Ich ziehe mir eine weitere Kleidungsschicht über und genieße von der Aussichtsplattform einen sagenhaften Blick auf den Pitztaler Gletscher und die Wildspitze (mit 3.774 m der höchste Berg Tirols, mehr zu Franks und Elviras Tour auf die Wildspitze in diesem Artikel) und die Ötztaler Alpen. Irgendwie surreal, dass wir gleich von hier oben unsere Tour bergab und über den Gletscher antreten werden.
Zunächst wärme ich mich noch ein wenig im Café 3.440 auf. Vor unserer Gletschertour dürfen wir ein leckeres Frühstück bei unglaublicher Aussicht genießen. Eine ideale Einstimmung auf die bevorstehende Wanderung. DAS 3440 ist eine Location der Superlative: höchstes Café Österreichs, höchste Konditorei Österreichs, Österreichs höchstes Standesamt sowie Österreichs höchster Aussichtspunkt.
Der Einstieg zum Steig hinunter zum Gletscher befindet sich nur ca. 200 m von der Bergstation der Wildspitzbahn entfernt. Der Weg führt uns zunächst über einen Grat. Der Blick in die Bergwelt ist fantastisch und ich muss mich zusammenreißen, nicht ständig stehen zu bleiben und Fotos zu machen. Seine Schritte sollte man auf dem steilen und etwas ausgesetzten Steig ganz bewusst setzen und auch schwindelfrei sein. Künstliche Tritthilfen und Stahlseile geben uns aber ein wenig mehr Sicherheit auf dem Weg. Die Wolken werden immer dramatischer und je weiter wir bergab gehen, umso mehr beginnt es zu regnen.
Nach dem ersten Abstieg von ca. 300 m kommen wir an eine flache Stelle mit einem Mini-Gletschersee, an dem man herrlich Rast machen kann (wenn es nicht gerade wie jetzt regnet). Ich werfe einen Blick zurück und sehe in den massiven Felsen hoch oben das Café 3.440 thronen. Wanderer, die uns vor ein paar Minuten noch entgegengekommen sind, kraxeln wie kleine Ameisen auf dem Grat nach oben.
Wir stehen mittlerweile inmitten einer Wolkenwand, die plötzlich durch kleine Schlupflöcher immer mehr Blicke in die Ferne und auf die beeindruckende Bergwelt ermöglicht. Der feste Untergrund entwickelt sich mehr und mehr zu einem Geröllfeld. Ich habe den Gletscher fest im Blick auf den letzten Metern bergab. Vorsichtig setze ich jeden Schritt auf dem wackeligen Untergrund und der Wunsch wird immer größer, endlich selbst auf dem Gletscher zu stehen.
In der Karte siehst du den Weg vom Café 3440 auf dem Pitztaler Gletschersteig bis zum Beginn des Gletschers.
Der Steig bis zum Gletscher ist ca. 2 km lang und du gehst ca. 460 hm bergab.
Endlich ist es geschafft: Ich stehe auf dem Taschachferner (Gletscher). Eine Wanderung über den Gletscher solltest du am besten nur begleitet durch eine*n Wander- und Bergführer*in unternehmen. Uns begleitet (neben Anna Maaß und Philipp Eiter vom Mindful Mountain-Programm) der Bergführer Raphael Eiter – neben Philipp ein weiterer Cousin von Anna –, der das Pitztal und den Gletscher wie seine Westentasche kennt. Ich schnalle mir die Grödel unter die Füße und ziehe mir den Klettergurt an. Falls du Grödel nicht kennst: Dies sind Halbsteigeisen mit vier bis sechs Zacken, die auf winterlichem Untergrund wie gefrorenem, vereistem Schnee Halt geben und sich unter jeden gängigen Bergschuh schnallen lassen.
Den ersten Schritt auf den Gletscher setzen - das ist schon aufregend. Schnell merke ich aber auch, dass ich durch die Grödel einen sehr guten Grip habe und es überhaupt nicht glatt ist.
Raphael zeigt uns, wie wir über Gletscherspalten steigen und springen müssen. Wir probieren es alle nacheinander aus und die Wanderung über den Gletscher beginnt. Die Risse und Muster im Eis geben der Weite des Gletschers etwas Mystisches. Mit jedem weiteren Schritt wird mir bewusster, auf welchem Naturwunder ich herumlaufe.
Im Sommer sieht es am Gletscher aus wie in einer beeindruckenden Winterlandschaft aus Eis. Der Vorteil in dieser Jahreszeit ist, dass kaum Schnee auf dem Gletscher liegt und somit die Gletscherspalten beim Wandern sehr gut erkennbar sind.
Auf dem Weg passieren wir eine Stelle, an der sich das schmelzende Gletscherwasser seinen Weg durch das Eis in die Tiefe bahnt. Hierdurch entsteht eine Gletschermühle, eine spiralwandige Hohlform im Eis. "Wie tief ist denn der Gletscher?", fragen wir Raphael. "Lasst es uns testen!", antwortet er. Er holt einen größeren Stein aus seinem Rucksack, den er auf dem Weg zuvor eingesammelt hat. Raphael hält den Stein über die Gletschermühle. Alle schauen gespannt zu ihm und zücken ihre Kameras. Er lässt den Stein fallen - 1 - 2 - 3 - 4. Nach vier Sekunden hören wir einen dumpfen Aufprall. Wir wiederholen das Ganze noch zwei Mal, jeweils mit größeren Steinen. Grob im Kopf rechnen wir uns aus, dass die Gletschermühle an dieser Stelle ca. 70 m tief sein muss. Der Gletscher selbst ist wohl noch tiefer. Wir sind alle ziemlich beeindruckt.
Nach weiteren Metern über den Gletscher bleibt Raphael vor einer riesigen Gletscherspalte stehen. Hier erwartet uns ein weiteres unvergessliches Highlight dieser Tour: Das Abseilen in eine Gletscherspalte.
Raphael bereitet vor unseren Augen alles für den Abstieg vor und erklärt uns das Vorgehen. Er entfernt mit einem Pickel das Crasheis an der Oberfläche, welches durch die Sonne auftaut. Eine Eisschraube, welche nach Raphaels Aussage locker eine Tonne hält, wird in das Eis geschraubt. Philipp seilt sich als erstes in die Gletscherspalte ab und bleibt auch unten, um jeden einzelnen, der sich auf das Abseilabenteuer einlässt, unten in der Spalte zu begrüßen, zu sichern und ein Selfie zu schießen.
Dann bin ich an der Reihe. Ich nähere mich der Kante der Gletscherspalte, mein Herz beginnt doller zu schlagen. „Jetzt die Hände weg vom Seil und mit dem ganzen Gewicht nach hinten lehnen!“, ruft Raphael mir zu, der mich mit einem Kletterseil sichert. Meine anfängliche Aufregung wandelt sich unmittelbar in ein breites Grinsen, als ich die ersten Meter hinab in den Gletscher gleite. Jetzt bin ich mitten im blau-weißen Gletscherwunder. Es ist muxmäuschenstill hier unten. Nur das Knacken des Eises ist zu hören.
Um wieder aus der Gletscherspalte nach oben zu gelangen, ist echtes Teamwork gefragt: Alle müssen oben am Rand der Gletscherspalte gemeinschaftlich mehrfach kräftig am Seil ziehen, um mich wieder nach oben zu befördern.
Nachdem jeder die Möglichkeit hatte, sich in die Gletscherspalte abseilen zu lassen, setzen wir das letzte Stück Weg auf dem Gletscher in einer Seilschaft fort. Wir laufen fortan nur noch hintereinander, jeder mit einem Seil an der jeweils vorderen und hinteren Person gesichert. So eine Seilschaft fordert einiges an Vertrauen in die anderen Teammitglieder. Man muss Rücksicht aufeinander nehmen und auf die eigenen Grenzen sowie die des anderen achten. Am Anfang fällt mir dies noch nicht so leicht, weil ich von der Landschaft so beeindruckt bin und während des Gehens Fotos machen will. Dies stellt sich allerdings als kontraproduktiv heraus, da ich mich so nicht auf mich und den Abstand zu meinem Vordermann konzentrieren kann. Also wird die Kamera weggepackt. Ich konzentriere mich auf das Hier und Jetzt und kann so viel besser einen gleichmäßigen Gehrhythmus mit den anderen herstellen.
Als ich die letzten Schritte auf dem Gletscher setze und wieder auf sicherem Erdboden stehe, packen mich die verschiedensten Emotionen und Gedanken beim Anblick der mannigfachen Weiß-, Blau- und Türkistöne des Gletschers. Zum einen bin ich froh und dankbar, dieses Abenteuer gewagt zu haben. Die Bilder dieser magischen Landschaft werden mich mein ganzes Leben lang begleiten und mit Stolz erfüllen.
Ich verspüre aber auch Wehmut und eine gewisse Traurigkeit. „In ca. 2 Wochen wird das nicht mehr da sein.“, sagt Raphael während er auf die beeindruckende Eiskonstruktion an der Gletscherzunge zeigt. Die Schönheit der Gletscher ist erschreckend vergänglich, auch hier im Pitztal. Auf unserem Rückweg ins Tal kommen wir immer wieder an Schildern vorbei, die aufzeigen, wie weit der Gletscher vor 20, 50, oder 100 Jahren noch reichte.
Wir nehmen uns die Grödel von den Füßen und machen uns über einen leichten Steig auf zum Taschachhaus (2.434 m). Für den Weg brauchen wir ca. 40 Minuten. Die weiße Eiswelt verschwindet immer mehr und macht Platz für fantastische Aussichten in das grüne Taschachtal.
Auf dem Weg macht uns Raphael auf einen kuriosen Fund am westlichen Rand des Taschachferners aufmerksam: Während des Zweiten Weltkrieges stürzte ein amerikanischer Bomber vom Typ Boeing B-17 über dem Taschachferner ab. Die Besatzung konnte sich glücklicherweise mit dem Fallschirm retten. Das Flugzeug zerschellte an der Taschachwand. Einige Wrackteile konnten wir vom Weg aus im Schnee ausfindig machen.
Auf der 2.434 m hoch gelegenen Hütte gönnen wir uns eine wohlverdiente Stärkung. Die warme Linsensuppe ist ein Gedicht und gibt Kraft für den Abstieg ins Tal. Vom Taschachhaus kann ich die Zunge des östlichen Taschachferners sehen und bestaune sie mit großer Ehrfurcht. Seit den 1970ern hat sich die Gletscherzunge um über 250 m zurückgezogen.
Nach dem Taschachhaus gehen wir über einen Steig etwas steiler bergab entlang der Gletschermoräne. Wir überqueren den Taschachbach über eine Holzbrücke und kommen nach ca. 2 km bei der Talstation der Materialseilbahn des Taschachhauses an.
Von hier aus kann man auf einem ca. 7 km langen Forstweg zu Fuß bis Mandarfen gehen oder einen besonderen Service in Anspruch nehmen: das Angebot „Bike & Hike“. PitzRentTal stellt an der Materialseilbahn Mountainbikes inkl. Helm zur Verfügung, um zurück ins Tal mit fantastischer Bergkulisse zu brausen. Auch für Mountainbikeanfänger*innen wie mich ist die Strecke gut machbar. Ein wenig durchgeschüttelt wird man auf der teils schottrigen Piste aber schon. Wer noch nach einer Einkehrmöglichkeit sucht, könnte in der Taschach Alpe, an der wir vorbeiradeln, gut aufgehoben sein.
Auf der Karte siehst du noch einmal den Weg vom Taschachhaus zum Bikeverleih und von dort der weitere Weg zu Fuß oder mit dem Rad bis ins Tal nach Mandarfen.
Am Abend lassen wir gemeinsam diese aufregende Wanderung Revue passieren. Wir tauschen uns über unsere Gedanken aus, reflektieren, was uns während dieser Tour und auch in unserem bisherigen Leben Stärke gegeben hat.
An diesem Abend fühle ich eine große innere Ruhe in mir, ein angenehmes Leeregefühl nach diesem herausfordernden Abenteuer. Mein erster Besuch im Pitztal erfüllt mich mit großer Dankbarkeit für die unglaublichen Erfahrungen, die Nähe zur Natur und zu mir selbst.
Ein paar kleine Steine, die ich auf den zwei Wanderungen im Pitztal gesammelt habe und nun gut sichtbar in meinem Wohnzimmer liegen, erinnern mich daran, in hektischen Zeiten zu mir und ins Hier und Jetzt zu finden, das Positive ins Zentrum meines Alltags zu rücken und hieraus Kraft zu ziehen.
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Noch ein kleiner Hinweis am Rande bzw. Ende: Der Besuch im Pitztal fand im Rahmen einer Pressereise statt, auf die wir von Pitztal Tourismus eingeladen wurde. Für diese Einladung möchten wir uns an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedanken! Alles hier zu Lesende entspricht dennoch unserer persönlichen Meinung und Wahrnehmung :-)